Heilige Puppen: Die Doppelnatur des mittelalterlichen Büstenreliquiars
Schlagworte:
Reliquien, Reliquiare, Skulptur, Mimesis, Hybridität, Theologie, Mediävistik, Puppenspiel, LebhaftigkeitAbstract
ADie Balance zwischen Lebendigkeit und Leblosigkeit, Künstlichkeit und Natürlichkeit, ist ein typisches Merkmal performativer ‚In-Szene-Setzungen‘ von Puppen. In diesem Beitrag wird der konzeptionelle Rahmen des Puppenspiels als Ausgangspunkt genutzt, um das Transzendenzpotential einer Gruppe mittelalterlicher Büstenreliquiare aus Köln zu untersuchen. Durch ihre äußere Erscheinung und ihre inhärenten Manipulationsmöglichkeiten ließen diese Büsten die Grenze zwischen Leben und Tod verschwimmen – ähnlich wie es bei Puppen der Fall ist. Es wird davon ausgegangen, dass die ‚doppelte Mimesis‘ dieser Büsten, kinetisch wie visuell, ihrer theologischen Bestimmung als Gefäße für irdische Überreste von Heiligen diente. Das wiederum spricht für das mittelalterliche Interesse an produktiven Paradoxien der Repräsentation. Für die Betrachter im Mittelalter überbrückten diese Skulpturen in ihrer den Puppen ähnlichen Hybridität die Distanz zwischen Menschen und dem Göttlichen. Als Ausblick werden mögliche Parallelen zwischen gegenwärtigen ‚Puppenexistenzen‘ und der Hybridität künstlicher Intelligenz angesprochen, die anregen, mittelalterliche Mimesis-Konzeptionen als ‚Werkzeug‘ für eine kritische Auseinandersetzung mit den Technologien des 21. Jahrhunderts zu nutzen.
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